domingo, octubre 26, 2008

Von Spanien für künftige Finanzkrisen lernen

Die spanische Regierung hat gestern alle diplomatischen Hebel in Bewegung gesetzt, damit sie am internationalen Finanzgipfel im November in Washington teilnehmen kann.
Spanien ist nicht eingeladen, und die Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero hält das für einen Fehler, der so schnell wie möglich berichtigt werden müsse. Es gibt Gipfeltreffen, deren Sinn und Inhalt dem Normalsterblichen verborgen bleiben, doch bei diesem geht es um etwas: um die Neuordnung des internationalen Finanzsystems.
Darum, weitere Finanzkrisen in Zukunft zu verhindern.

Immerhin wäre auch die jetzige zu verhindern gewesen, wenn sich alle Länder so klug verhalten hätten wie Spanien. Das Land hat nämlich aus früheren Fehlern gelernt.
Anfang der 90er-Jahre machte eine der damals großen spanischen Banken, Banesto, pleite. Eine Bankenpleite ist immer auch Schuld der Aufsichtsbehörden, die das Drama nicht kommen sahen. In Spanien war das die Zentralbank, die Banco de España, gewesen. Nach der Banesto-Krise nahm sie sich vor, dass sich ein solcher Zusammenbruch nicht wiederholen sollte.

Die Medizin, die sie den Banken verschrieb, schmeckte bitter: Die Banker mussten in guten Zeiten Rücklagen für schlechte Zeiten bilden.
Das schmälerte ihren Gewinn, weswegen sie sich beschwerten, sie seien gegenüber den ausländischen Konkurrenten im Nachteil. Doch jetzt sind die schlechten Zeiten da. Der Anteil fauler Kredite am gesamten Kreditgeschäft ist zwar in Spanien innerhalb eines Jahres von unter 0,5 Prozent auf rund 2,5 Prozent in die Höhe geschnellt. Aber da die Banken auf ihre Rücklagen zurückgreifen können, bekommen sie das noch nicht in ihren Gewinn- und Verlustrechnungen zu spüren. Die Banco Santander, Spaniens größte Bank, rechnet in diesem Jahr mit einem 10-Milliarden-Euro-Gewinn. Da werden andere grün vor Neid.

Der rasante Anstieg zweifelhafter Kredite ist Folge einer hausgemachten Krise: des Zusammenbruchs des spanischen Immobilienmarktes. Muss also nicht alle Welt interessieren.
Aber die Banco de España wappnete die spanischen Kreditinstitute auch vor dem aktuellen internationalen Finanzdebakel. Sie bewahrte die Geschäftsbanken vor riskanten Anlagen wie den gefürchteten "Structured Investment Vehicles": schwarzen Kisten, von denen nur der liebe Gott wusste, was in ihnen steckte. Die Banco de España verbot den Banken solche Anlagen nicht, aber sie machte ihnen dafür derart anspruchsvolle Auflagen, dass die Banken lieber auf das Abenteuer verzichteten.

Deswegen sollte Spanien am internationalen Finanzgipfel in Washington teilnehmen: um den anderen zu erklären, wie eine Zentralbank richtig handeln kann.
Der Gastgeber des Treffens ist jedoch ausgerechnet US-Präsident George W. Bush, einer der Hauptverantwortlichen für das aktuelle Desaster und leider kein Freund des spanischen Premiers Rodríguez Zapatero. Der scheidende US-Präsident nimmt dem Sozialisten heute noch übel, dass er vor vier Jahren die spanischen Truppen aus dem Irak abziehen ließ.

Gordon Brown und Nicolas Sarkozy mögen verzeihen: Sie sind nicht die Helden der Stunde.
Die Helden der Stunde haben Namen, die außerhalb Spaniens niemand kennt: Luis Ángel Rojo und Jaime Caruana, beides Expräsidenten der Banco de España.
Ihnen sollte Zapatero in Washington seine Stimme leihen.


Martin Dahms - Berliner Zeitung, 24.10.2008


Manuel
#280

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