sábado, julio 30, 2011

Desayuno

Höllenstarker Kaffee und fetttriefende Churros:
Wenn Spanier frühstücken, dann immer süß und und möglichst nichts Gesundes.
Andreas Drouve empfindet die morgendliche Esskultur seiner Wahlheimat als höchst deprimierend - auch gibt sie ihm so manches Rätsel auf.


Was ich am spanischen Radio liebe, sind die markerschütternden Torschreie ("Goooooooool") bei Fußballübertragungen sonntagabends.
Ansonsten bin ich kein Rundfunkhörer, denn mich nerven die typischen Plauderrunden ("tertulias"), bei denen alle durcheinander reden.
Doch vor einiger Zeit ließ ich nach Übernahme eines Mietwagens das Programm zu früher Stunde so eingeschaltet, wie es war.

"Verratet uns, was Ihr zum Frühstück esst", tischte der Moderator den Hörern auf.
Was gab es da mitzuteilen?
War nicht von vornherein klar, dass Frühstück bei Spaniern als traditionelles Trauerspiel zelebriert wird?
Immer süß, immer gleich wenig, nichts für die Gesundheit, nichts von Substanz.

Alleine der Morgenblick auf die Teller meines Clans, in den ich durch mein "Big fat Spanish Wedding" eingeheiratet habe, hätte ausgereicht, um meine langjährige Erfahrung mit Beispielen zu belegen.
Kein Wurstbrot, kein Käsebrot, kein Obst, kein frischer Saft, keine Haferflocken, kein Quark, kein Vollkornmüsli, Beuteltee nicht einmal im Notfall.

Stattdessen ein höllenstarker Kaffee, der gleich zu Tagesbeginn ein Loch in den Magen reißt und keine andere Möglichkeit gibt, als schlagartig mit angeregter Darmfunktion wach zu werden.
Dazu ein Croissant. Oder ein magerer Toast ("tostada"). Oder eine "magdalena", Biskuitgebäck in Häubchenform. Oder ein süßes, weiches, gummiartiges Milchbrötchen ("pan de leche"), das sich bei Eindruck des Fingers gleich wieder aufbuckelt wie ein Katzenrücken.

Kulinarisch deprimierend ergeht es auch meinem Schwiegerhund, der staubtrockene Kräcker zu seinem Napf Leitungswasser bekommt und - seit ich ihn als Welpen kenne - von chronischem Hunger geplagt scheint.

Olivenöl, Babybrei und Kiwis

"Erst ein Löffelchen Olivenöl zum Frühstück", hörte ich bei der Autofahrt plötzlich eine gewisse Berta aus Lugo im Radio sagen.
"Löffelchen?", hakte der Moderator nach.
"Na gut, ein Esslöffel, richtig voll, immer auf nüchternen Magen", sagte Berta und unterstrich ihren Schluckvorgang durch ein lautmalerisches "Glub".
Dann folgte ihr Kurzvortrag, wie gut Olivenöl von innen heraus für ihre Haut sei, "aber nur das gute, das kaltgepresste".
"Und was ist bei dir mit Kaffee?", fragte der Moderator.
"Nein, kein Kaffee, aber nach dem Öl drei Orangen oder drei Birnen oder drei Kiwis."
"Immer drei?"
"Ja, immer drei, kommt darauf an, was ich im Haus habe."

Berta aus Lugo erstaunte mich mit ihrem Bekenntnis zur Gesundheitskost und zu des Tages Erster Ölung, eine echte Strömung der Avantgarde.
Von José aus Alicante war zu erfahren, dass er allmorgendlich einen Babybrei aus dem Gläschen liebt und danach einen Espresso und eine Banane, wobei ungeklärt blieb, über welche Restbestände an Zähnen er verfügte.
Und Nacho, ein älterer Herr, bekundete, seinem Körper vor dem Müsli zuallererst Zinktabletten zuzuführen, um das Immunsystem zu stärken.

Seit dem Radioprogramm bin ich für das Thema Frühstück sensibilisiert.
Meine Schwägerin Ana, die ihre Arbeitszeit in einer Landwirtschaftsbehörde tötet und sich dafür zumindest schämt, erzählt aus der Distanz der Beobachterin, dass ihre Beamtenkollegen im Regelfall ungefrühstückt erscheinen, um ihren Dienst nach der Zeitungslektüre und der größtmöglichen Gefechtsabwehr von Anrufen im Laufe des Vormittags mit einer ausgiebigen Rast im Café um die Ecke sinnvoll zu nutzen.

Meist kommen dann Fettkringel ("churros") mit Schokoladensauce ("chocolate") auf den Tisch, ein verbreitetes spanisches Phänomen in Bars und Kaffeehäusern. Das Verspeisen der Kringel, die mit den Fingern tief in die dickflüssige Masse eingetaucht werden, darf man sich ähnlich appetitlich vorstellen wie die Nahrungszufuhr eines Franzosen, der früh morgens das halbe Croissant in der Kaffeeschale versenkt und dann versucht, das durchtränkte Weichteil irgendwie unfallfrei in den Mund zu befördern. Wer einmal Zeuge dieses Schauspiels geworden ist, weiß, was ich meine. Französische Vollbartträger setzen dem Verzehr der Hörnchenteile aus dem Wannenbad die Krone der Ästhetik auf.

Rätsel der eiskalten Frühstückseier

Wie mühelos sich der Morgenschaltkreis von "süß" auf "alles" umlegen lässt, stellen Spanier an Hotelbüffets unter Beweis und fügen sich verhaltensbiologisch in internationale Gepflogenheiten ein. Stichwort Futterneid, spezifisch für in Gruppen lebende Wirbeltiere, die Nahrungskonkurrenten fürchten.

Zerfressen von der Angst, jemand anders könnte ihnen das Beste wegnehmen, überfrachten die Büffetbesuchern ihre Teller hoffnunglos - die fette Beute besteht aus Speck und Spiegeleiern, Schinken, Oliven, Lachs.
Das meiste bleibt am Ende natürlich liegen.
An derlei Frühstück sind Spanier beim besten Willen nicht gewöhnt.

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À propos spanische Büffets.
Sympathisch ist mir das kühle Tomatenpüree, das zusammen mit etwas Olivenöl und Salz als Ersatz für Butter und Brotbelag dient.
Ein landesweites Rätsel hingegen geben mir die gekochten Eier auf.
Keine frischen weichen, sondern steinharte, eiskalt aus dem Kühlschrank, meist mit perligem, glitzerndem Wasserüberzug auf der Schale.

Unerklärlich sind mir auch die henkellosen Gläser geblieben, in denen in Cafés in Madrid und auf dem Land gerne glühend heißer Kaffee bis fast an den Rand hinauf serviert wird. Die Behältnisse erfordern entweder den Einsatz von Skihandschuhen, die ich bei derlei Gelegenheiten vergleichsweise selten bei mir habe, oder lassen sich erst nach längerer Zeit des Temperaturverlustes verbrennungsfrei anfassen.


Spaniens Frühstücksmenü: Kochend heißer Kaffee

...auch zuckerbestreute fetttriefende Churros gehören dazu,
oft werden sie in eine dickflüssige Schokoladenmasse getaucht
- nicht gerade eine gesunde Kombination,...

...nicht weniger kalorienhaltig ist das übliche Frühstücks-Croissant,
das sich eingespanischt cruasán schreibt.

Manuel
#772

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